Nordrhein-Westfalen

Michael Aust und Michael Schwinning

Wenn wir nichts tun, werden wir nichts sein

Eigenproduktion

Goethe Gymnasium Düsseldorf

Theater AG Jahrgangsstufe 6

Spielleitung: Annika von Busekist, Stefanie Elbers

Steintor Varieté, 45 Min.

Wie man aus nichts etwas machen kann!

Auf so eine Idee muss man erst mal kommen, wenn man so jung und kein Philosoph ist: Nachdenken über das Nichts. Aber die große Gruppe aus Düsseldorf tut das, sogar auf der Bühne, und baut sich daraus eine Collage. Und alles dreht sich um das Thema und Wort Nichts.

Also wieder so ein Spiel mit Gedankenräumen. Ist da jetzt nichts? Das Nichts ist dort jedenfalls nicht. Kann aber das Nichts ein Raum sein oder einen Raum füllen? Es wird schnell deutlich, dass die Gruppe sich der Ironie bei der Auseinandersetzung mit N/nichts durchaus bewusst war und dabei viel Spaß hatte.

Es beginnt aus dem Off mit einem Kindertext und einer scheinbar endlosen Reihe von Fragen: Welche Farbe hat das Nichts, wie groß ist es, riecht es nach etwas, wie fühlt es sich an, …? Die Bühne ist leer, ein Spot ist beleuchtet. Windgeräusche heulen auf, das Licht bildet eine helle Gasse, meditative Töne setzen ein, Spieler*innen betreten die Bühne, gehen in kurze Posen und Standbilder, schauen in die Ferne, lesen in einem Buch, wundern sich oder suchen. Sie beantworten auf diese offene Weise bildhaft die vorher gestellten Fragen.

Kurze Zeit später sitzt eine kleine Gruppe Spieler*innen vor einer leeren Plastikwanne, wie sie als zentrales Requisit in verschiedenster Form verwendet werden, und denken im Gespräch engagiert darüber nach, ob da wohl Nichts in der Wanne sei oder etwas oder nur etwas, was man nicht sieht? Die Aufführung kann und will wohl diese philosophische Tiefe nicht halten, wenn es an anderer Stelle nur noch darum geht, sich gegenseitig Sätze, die das Wort nichts beinhalten, an den Kopf zu werfen und dabei die Plastikkisten als Kampfgeräte zu verwenden.

Im Spannungsfeld zwischen Gedanken- und Wortspiel kommt auch ein Wissenschaftler im Interview zu Wort, der nichts Genaues weiß. Dann begeben sich die Spieler mit ihren Kisten über dem Kopf ins Universum und betrachten von dort die Erde. Die genannten Räume, wie Festland, Wasser, Gebäude und ähnliches werden wieder in einzelnen Standbildern, Posen und geloopten Gesten sinnfällig gemacht. Die Erde ist offenbar nicht nichts. Die hier angedeuteten Räume sind Behauptungen durch Körperspiel.

Sie funktionieren wie Raumbehauptungen von Wegen oder Möbeln, die entstehen, wenn die transparenten Plastikkisten entsprechend angeordnet werden. Beim Blick in den Mikrokosmos („Daniels Kinderzimmer“) hocken Spieler vor und hinter hochgestellten Kistendeckeln, eine Anordnung, die Laptop oder Fernseher andeuten. Gespielt wird hier eine Familienszene, in der die bekannte Elternfrage „Was machst du gerade?“ mit der wenig überraschenden Auskunft: „Nichts!“ gekontert wird.

Später berichten einige Spieler*innen über Mikrofon in knappen Sätzen von Nichts-ist-unmöglich-Welten, ihren Traumwelten, die in verschiedene Plastikkisten mit Spielzeug hinein gebaut und per Live-Kamera in Videoprojektion gezeigt werden. Dieses Setting erlaubt der Fantasie, auch ins Irreale abzudriften und etwa eine Zuckerschockinsel mit ihren schönen und negativen Auswirkungen zu zeigen.

So erreicht die Aufführung ihren Höhepunkt und öffnet den Spielraum ins Publikum. Mit einem Protestzug durch den Zuschauerraum ziehen die jungen Spieler*innen skandierend auf die Bühne und stellen eine Fridays-for-Future-Demonstration nach. Aufgestapelte Kisten bilden das Rednerpult, hinter dem die Gruppe mit Transparenten steht. Eine Sprecherin klagt vehement in bekannten Zitaten die Erwachsenen wegen ihres „Nichts“-Tuns gegen den Klimawandel an. Der Realismus dieser Szene, der ein medial erfahrenes Geschehen im Prinzip lediglich kopiert, fällt aus dem Rahmen der sonst sehr bewusst theatral gestalteten Szenen.

Zum Ende sitzt ein Junge allein im Lichtkegel auf der Bühne und liest aus einem Buch einen Text zum Thema „Nichts“. Windgeräusche begleiten ihn, bis er zu dem Ergebnis kommt: Das Nichts ist ein Wunder.

Über diese Auseinandersetzung mit Nichts wird deutlich, dass Leben in gefüllten Räumen stattfindet. Universum, Erde, Familienwohnung oder Aufbewahrungsbehältnisse fassen Leben, nicht das Nichts, selbst wenn in der Sprache davon oft die Rede ist. Räume der Gedanken, Fantasien, Philosophien und Träume bleiben dagegen abstrakt. Man kann nur davon sprechen und auf sie in gespielten Analogien verweisen. Eine in dieser Hinsicht geistreiche, in manchem auch beliebig erscheinende Aufführung. Die Szenen sind abwechslungsreich angeordnet, beziehen sich lediglich zu oft auf Standbildchoreografien. Die durchgehend hoch motivierten und engagierten jungen Schüler*innen gleichen das aus und bewegen durch ihr selbstbewusstes Spiel das Publikum.

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