Hessen

Michael Aust und Michael Schwinning

Räume! Räumen!

Eigenproduktion

Wilhelmgymnasium Kassel

Kurs Darstellendes Spiel

Spielleitung: Kirstin Porsche

Steintor Varieté, 45 Min.

Spiel im Pappen-Stil

Die Inszenierung der hessischen Gruppe nimmt ihren Ausgangspunkt bei einer zentralen Idee: Alle Spieler*innen sind mit großen weißen Papptafeln ausgerüstet, hinter denen der ganze Körper unsichtbar werden kann. Das Stück ist vom Konzept her ein Kunstprojekt, das sich theatraler Darstellungsmittel bedient.

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Am Anfang sehen die Zuschauer einen undefinierten, weißen Plakathaufen in der Mitte der Bühne, die ansonsten komplett leer ist. Das Licht wird langsam aufgezogen und wir bemerken, dass dieser Hügel pulsiert, atmet. Es ist der natürliche Atemrhythmus der zusammengekauerten Ensemblemitglieder unter ihren Pappen. Dann werden einzelne Gliedmaßen sichtbar und letztlich stehen die Spieler*innen hinter ihren Pappen einzeln, gleich den lebenden Spielkarten aus „Alice in Wonderland", auf der Bühne. Dieser Auftakt macht schon deutlich, dass es hier um ein Stück geht, das nicht auf Figur, Handlung oder Konflikt setzt, sondern die Darstellung unterschiedlichster Räume und Vorgänge mit Hilfe von Mensch und Pappe auf der Bühne realisieren will. Da das weitgehend stumm erfolgt, zuweilen mit Geräuschaufnahmen unterlegt, handelt es sich dramaturgisch um ein Rätsel-Spiel für das Publikum. In schneller Folge markiert die Gruppe abwechselnd sowohl Orte (Arena), Objekte (Eisenbahn), Tätigkeiten (Demo, Verfolgungsjagd) als auch abstrakte Bewegungsarrangements, wie etwa kollektive Wellenbewegungen. Die Gruppe hat systematisch erkundet, auf welche Weise die Pappen als Spielmaterial Bilder und Vorgänge evozieren können, wobei Geräuschtracks und Lichteinstellungen unterstützend einbezogen werden, wenn es etwa um die Darstellung des Ortes „Regenwald" geht.

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Die Menge der gestalteten Szenen und Tableaus funktioniert nur durch Draufsicht aus dem Saal, weil Elemente der Darstellung – oft die Spieler*innen selbst – versteckt werden müssen. Die Gruppe denkt ihr Konzept allerdings auch weiter und verlässt die Bühne, um einzelne Zuschauer mit ihren Pappen vor einem akustischen Platzregen zu beschirmen.

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Insgesamt gelingen neben den offensichtlichen auch eine ganze Reihe origineller Raumdarstellungen, wobei die gezeigten Tableaus immer sukzessive vor unseren Augen entstehen. Gegen Ende wird die Darstellungsform radikal erweitert, etwa durch eine auch ohne Pappen visualisierte rhythmische Darstellung der lebhaften Großstadt oder die Inszenierung „Panic Room" mit Pappen, Musik und Live-Gesang. Das alles ist unterhaltsam und setzt eigene kleine Spannungsbögen, folgt aber keiner erkennbaren Dramaturgie. Es ist daher nicht leicht ein wirkungsvolles Ende zu finden. Die Gruppe entscheidet sich für einen optischen Höhepunkt, in dem ein mittels der Pappen angedeutetes Bühnenbild den Hintergrund für eine gesungene Live-Performance bildet, ein unerwarteter, kreativer Schlussakkord einer kompakten 30-minütigen Aufführung.

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